Design wurde schon immer eingesetzt, um Produkte zu schaffen, die sich besser verkaufen und so den unersättlichen Durst des Kapitalismus nach permanentem Wachstum stillen. Somit sind Designer über die Jahre – bewusst oder unbewusst – zu Wegbereitern einer maßlosen Konsumorgie geworden, die zu gravierenden gegenwärtigen Problemen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und Vermüllung der Umwelt geführt haben und weiterhin führen werden. Nun sind wir an einem Punkt angelangt, an dem die Probleme immer größer werden und ihre Folgen kaum noch zu ignorieren sind.
Dadurch rücken in letzter Zeit Themen wie umweltgerechte Gestaltung und Produktion immer stärker in den Fokus der Medien. Nicht zuletzt aufgrund der Popularität des Themas scheinen auch immer mehr Designer auf diesen fahrenden Zug aufzuspringen und entdecken plötzlich eine neue Liebe zur Umwelt. Infolgedessen befinden sich Produkte aus Algen, Bambus, Papier, Palmblättern, Apfelresten & Co auf dem Vormarsch. Die Designer übertreffen sich förmlich mit vermeintlich nachhaltigen Konzepten und Entwürfen, die sie in allen möglichen Social-Media-Kanälen veröffentlichen und die hin und wieder sogar mit Design-Awards ausgezeichnet werden.
So weit, so gut. Wenn diese Produkte auch tatsächlich unsere Umweltprobleme lösen und nicht als Augenwischerei in Form von „Greenwashing“ lediglich dazu führen würden, kritische Verbraucher zu beruhigen, gleichzeitig aber den Hyperkonsum, also den Konsum über die eigentliche Bedürfnisbefriedigung hinaus, weiter anzutreiben.
Hier ein paar Beispiele für den Unterschied zwischen Greenwashing und nachhaltiger Produktion:
Klischeedenken und Stigmatisierung in der Materialauswahl
Trinkhalme, Einkaufstüten und Geschirr aus Papier, Zahnbürsten aus Holz oder Bambus, Lampen aus Meeresalgen, Teller aus Palmblättern wirken auf den Verbraucher umweltfreundlich und sind auf dem Vormarsch. Kurz: Kunststoffe sind das Problem und natürliche Materialien unsere Rettung – leider ist es nicht ganz so einfach wie es scheint.
Denn die wenigsten wissen, dass zum Beispiel eine Einkaufstüte oder ein Trinkhalm aus Papier eine weitaus schlechtere Ökobilanz aufweist als eine Einkaufstüte bzw. ein Trinkhalm aus Plastik.
„Papier hat zwar den großen Vorteil, dass es bei falscher Entsorgung weniger problematisch ist als manch andere Produkte, die in der Umwelt landen; aber Papier per se ist deshalb noch lange nicht umweltfreundlich, eben weil es auch in der Herstellung einen ganz gehörigen ökologischen Fußabdruck hinterlässt. Häufig wird für einen Papierartikel zudem mehr Material benötigt. Hinzu kommt, dass die Papierproduktion einen höheren Wasser- und Energieverbrauch hat.“1
Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass Papier für solche zweckfremden Einsatzgebiete, in denen es Kunststoff ersetzen soll, feuchtigkeitsresistent und reißfest sein muss. Das erfordert eine Vielzahl von Verarbeitungsschritten, wie zum Beispiel chemische Behandlung, Beschichtung, Walzen, Faserverstärken, Öl-Behandlung etc. Diese aggressive Behandlung hat einerseits eine katastrophale Ökobilanz zufolge und führt andererseits dazu, dass sich das Papier beim Recyclingprozess nicht auflöst, also nicht recycelt werden kann.
Es gibt also tatsächlich viele Fälle, in denen ein Produkt allein, weil es aus Papier ist, als besonders umweltfreundlich wahrgenommen wird, es aber de facto gar nicht ist. Der Verbraucher hingegen wird in seinem guten Glauben gelassen und konsumiert leichten Gewissens auch weiterhin unnötige Produkte. Ein klassischer Fall von Greenwashing. Die Folge: ungebremster Konsum und damit einhergehende Ressourcenverschwendung.
Mangelnde Effizienz
Teller, Vasen und Gläser mit Solarzellen, die Strom erzeugen sollen, scheinen auf den ersten Blick innovativ und umweltfreundlich; faktisch jedoch schaden sie der Umwelt. Die hohe Komplexität und notwendige Effizienz, die wir benötigen, um Herausforderungen unserer Zeit zu meistern, lassen sich kaum sinnvoll in einzelnen Produkten als „Nebenfunktion“ implementieren. Die Energie der Zukunft wird durch hocheffiziente Solar- und Windanlagen produziert – die Vorstellung, aus einem Teller Energie zu gewinnen, ist zwar nett, leider jedoch einigermaßen naiv.
Solche Scheininnovationen haben vielmehr zur Folge, dass die Produkte weder ihre ursprüngliche Funktion optimal erfüllen noch effizient genug sind, um einen ökologischen oder ökonomischen Beitrag zu leisten. Es sind mehr oder minder Gimmicks ohne wissenschaftliche Grundlage, dazu gedacht, das Produkt innovativ und ökologisch erscheinen zu lassen, damit es dem Zeitgeist entspricht. Der Mehrwert ist gleich null, denn die geringe Energieentwicklung – die auch nach Monaten noch nicht ausreicht, um auch nur ein einziges Smartphone vollständig zu laden – steht in keinem Verhältnis zu Aufwand, verwendeten Ressourcen und CO2-Bilanz. Stattdessen landet es über kurz oder lang auf dem Müll und ist damit Gift für die Umwelt.
Die Upcycling-Falle
Grundsätzlich ist es richtig, dass das Wiederverwenden von Materialien und Ressourcen eine gute Sache ist und uns hilft, Ressourcen zu schonen. Problematisch wird es nur, wenn das Prinzip falsch verstanden und eingesetzt wird. Kleiderbügel, gebastelt aus alten Fahrradreifen, Kleider aus alten Mülltüten, Stühle aus zusammengeklebten alten Blechdosen – solche Upcycling-Ansätze liegen im Trend und sind sicherlich oft gut gemeint, sie sind jedoch in keiner Weise dazu geeignet, die komplexen Umweltprobleme unserer Zeit auch nur im Ansatz zu lösen.
Die Umsetzung solcher Ideen ist häufig nicht serientauglich und verbraucht mehr Energie und Aufwand für die Bearbeitung und Vorbereitung als notwendig ist, um ein gänzlich neues Produkt aus Primärrohstoffen herzustellen. Also ergibt Recycling nur dann Sinn, wenn es um die systematische und effiziente Wiedergewinnung der Rohstoffe aus Abfallprodukten geht, um die so extrahierten Sekundärrohstoffe dann als Basis für neue Produkte einzusetzen.
Wie es besser geht
• Eine objektive Betrachtung der Zahlen und Fakten ist immer sinnvoller als unreflektiert vermeintliche Kundenerwartungen zu erfüllen. Der Einsatz nachwachsender Rohstoffe ist eben nicht immer die richtige und beste Lösung. Die natürlichen Vorkommen vieler solcher Materialien reichen bei weitem nicht aus, um unseren täglichen Bedarf zu decken und müssen daher künstlich in Massenkulturen und unter massivem Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln angebaut werden, zumal damit auch Umweltauswirkungen wie Bodenerosion, Verlust der Artenvielfalt sowie ein hoher Flächen-, Wasser- und Energieverbrauch einhergehen. Zumindest sollte man sich fragen, ob diese Nachteile nicht größer sind als die Vorteile der natürlichen Herkunft und biologischen Abbaubarkeit.
• Auf die Sinnhaftigkeit und Nützlichkeit eines Produkts zu achten und unnötige und überflüssige Produkte zu vermeiden. Es gibt Produkte, die die Welt einfach nicht braucht. Wenn ein Produkt keinen Nutzen hat, hat es auch keine Existenzberechtigung.
• Einwegprodukte durch intelligente Mehrwegprodukte zu ersetzen. Dies gilt generell und unabhängig von dem verwendeten Material: Einwegprodukte sind umweltschädlich, egal ob aus Papier, Bambus oder Plastik.
• Auf Nachhaltigkeit zu achten. Entscheidend ist nicht die reine Ökobilanz, sondern die Relation zwischen Ökobilanz und Lebensdauer eines Produktes. In diesem Kontext spielt auch die funktionale und ästhetische Langlebigkeit von Produkten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Besonders markant oder zeitlos gestaltete Möbel, Geschirr, Uhren oder Schmuck können so über Jahrzehnte weitergereicht werden und werden mit der Zeit zu wahrhaft nachhaltigen Produkten – egal, woraus sie gefertigt sind.
• Recycle-freundlich zu gestalten: Wenn Bestandteile eines Produktes aus unterschiedlichen Materialien bestehen, die jeweils anders verwertet werden müssen, aber sich bei der Entsorgung sehr aufwändig trennen lassen, dann nutzt der Einsatz von recycelbaren Materialien kaum etwas. Hier hilft es, die Bestandteile leicht trennbar zu konzipieren.
• Auch die Formgebung selbst beeinflusst den Produktionsaufwand. Der Verzicht auf alles Überflüssige, d. h. auf Gestaltungselemente, die keine Funktion haben, sondern einfach modisch und damit nicht allzu lange aktuell sind, führt nicht nur zu einer erhöhten Langlebigkeit. Die gestalterische Reduktion geht zudem mit einer Verringerung des Produktionsaufwands einher, was wiederum den ökologischen Fußabdruck eines Produkts reduziert. Wenn Designer zudem die unterschiedlichen Produktionsmethoden und den zugehörigen Energie- und Materialaufwand gut kennen und in den Gestaltungsprozess einfließen lassen, kann das gleiche Produkt viel effizienter und umweltfreundlicher hergestellt werden.
1) Auszug aus dem Interview mit Herrn Philipp Sommer, Stellvertretender Leiter des Bereichs Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe