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Innovation

Designkonzept

Die besten Ideen entstehen, wenn man im Alltag Probleme wahrnimmt.

Am Anfang steht die Idee

Gutes Produktdesign besitzt stets ein Merkmal: eine gutes Konzept. Was so simpel klingt, ist oft genau das Gegenteil. Die Idee für ein gutes Konzept ist manchmal sofort zur Stelle, ein anderes Mal lässt sie sich bitten wie eine Diva. Wenn man sich etwas näher damit beschäftigt, wie ein Konzept entsteht, lockt man sie leichter aus der Reserve.

Die Idee für die Idee

Ideen für gute Designkonzepte liegen auf der Straße. Man findet sie auch im Bus, auf dem Frühstückstisch – überall. Man muss nur lernen, sie zu erkennen. Ein Weg ist, die großen und kleinen Probleme unseres Alltags nicht zu ignorieren, sondern sie ganz bewusst wahrzunehmen. Danach gilt es, eine intelligente und praktische Lösung für dieses Problem zu finden. Im besten Fall geschieht das intuitiv und in Sekundenschnelle. Die Intuition ist ein Teil kreativer Entwicklungen. Sie kommt aus dem Unterbewussten, der begleitende Intellekt prüft nur noch und führt aus.

Wie kommt man aber zu einem Ergebnis, wenn die Intuition nicht sofort zur Stelle ist? Ein Weg ist die strukturierte Suche nach einer Lösung. Zwar gibt es keinen Generalschlüssel, der jede Tür öffnet. Dennoch helfen systematische Denkprozesse, einer guten Idee für Designkonzepte auf die Schliche zu kommen. 

Abstraktion

Die Konzentration auf das Wesentliche.
Zunächst einmal ist es wichtig, das Augenmerk auf die wirklich wichtigen Aspekte zu lenken. Durch systematisches Abziehen von unwesentlichen Einzelheiten dringt man Stück für Stück zum Kern aller Dinge vor. Erst dann lässt sich das spezifische Grundgerüst bewusst gestalten. Man gewinnt mehr Übersicht, die Bäume stören nicht mehr bei der Betrachtung des Waldes.

Analytisches Denken

Kenntnis hilft, Dinge zu verändern.
Es ist wichtig, Sachverhalte systematisch zu analysieren, sie in ihre einzelnen Bestandteile zu zerlegen. Was funktioniert gut, was hemmt eine reibungslose Funktion, was lässt sich wo und vor allem wie verbessern? Wer sich auf die Suche nach dem sprichwörtlichen „Sand im Getriebe“ macht, wird fündig.

Bionik

Wie man aus Entdeckungen Erfindungen macht.
Für viele Problemstellungen bietet die Natur verblüffende Lösungen. Diese haben sich oft über Jahrtausende bewährt. Man muss sie nur entdecken. Die Bionik entschlüsselt als eigene Disziplin die „Erfindungen der belebten Natur“ und erforscht deren Umsetzungspotenzial in der Technik. Die Evolution liefert ein Best-of intelligenter Systeme, die sich gegenüber anderen Lösungen durchgesetzt haben. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir aufhören sollten, selbst kreativ zu sein.
 
Grundsätzlich gibt es zwei Unterschiede zwischen Produkten, welche die Natur hervorbringt, und Produkten, die vom Menschen geschaffen werden: Zum einen benutzt die Natur zumeist Materialien, die von organischem Leben erzeugt werden. Zum anderen funktionieren viele Naturprodukte nur, wenn sie am Leben sind. Ein Tyrannosaurus Rex beispielsweise ist ein beeindruckendes Naturprodukt; außer im Kino funktioniert er allerdings nicht mehr, weil er bereits geraume Zeit ausgestorben ist. Biologische Systeme bringen also gewisse Einschränkungen mit sich. Alle Bestandteile müssen zum Beispiel miteinander verbunden sein, um eine Energie- und Stoffzufuhr zu gewährleisten. Auch der Umstand, dass viele organische Verbindungen höheren Temperaturen nicht standhalten können, schränkt ein; vielleicht gibt es ja deshalb keine Adler mit Düsenantrieb. Ein Ingenieur kann mit nichtorganischen Materialien Dinge erschaffen, die es in der Natur nicht gibt und auch nicht geben kann.

Haben Sie sich einmal gefragt, warum die Natur kein Rad hervorgebracht hat? Eine mögliche Erklärung: Eine fortlaufende Drehung setzt eine Trennung zwischen dem Rad und den übrigen Bestandteilen voraus. Die drehenden Teile ließen sich daher in einem lebendigen Organismus nicht mit Blut oder Energie versorgen – erst von Menschen geschaffene, „tote“ Materialien wie Stahl oder Kunststoff machen es möglich, Motoren, Achsen und Reifen zu bauen und mit über 250 Stundenkilometern über Autobahnen zu fahren. Wir Menschen haben zwar nicht unbedingt mehr, aber andere faszinierende Möglichkeiten als die Natur, um etwas Neues zu erschaffen und zu gestalten. Hinzu kommt, dass wir manchmal gänzlich andere Problemstellungen als die Natur haben. Es wäre also vergeblich, sämtliche Lösungen in der Natur zu suchen: Manches müssen wir schon allein hinkriegen. Bei aller Begeisterung für die Bionik sollten wir uns immer auch unserer „eigenen“ Stärken bewusst sein.

Robo Worm
Er ist ein Roboter, der die Fortbewegung von Raupen widerspiegelt. Die Bewegungen der ringförmigen Muskeln werden durch gesteuerte Magnetisierung der Metallringe (in einem Silikonschlauch integriert) simuliert. Somit wird eine Fortbewegung auf extrem unebenen Untergründen, in Kanälen und Schächten ermöglicht. Wo Kettenräder und andere Fortbewegungsmechanismen hängen bleiben und nicht weiterkommen, windet sich Robo Worm problemlos durch.

Robo Worm besitzt zwei Köpfe, welche sich jeweils an den Enden des Wurms befinden, sodass er zum Rückwärtsbewegen nicht wenden muss. Dieses Prinzip ermöglicht die Rückbewegung bei extrem engen Schächten problemlos. Zusätzlich besitzt er Kameras und weitere Sensoren, z. B. ein Mikrofon, um Aufnahmen in schwerst zugänglichen Bereichen zu realisieren. Diese Aufnahmen können per Funk direkt an eine Empfangsstation gesendet oder zwischengespeichert werden.

Klischees brechen

Anders denken ist Pflicht.
Es ist gut, sich von fesselnden alten Denkweisen zu befreien. Entwicklung setzt immer Veränderungen voraus, sie ist eine der wichtigsten Grundlagen für Fortschritt. Essenziell jedoch ist:
 
Nicht jedes Klischee ist schlecht. Hier ist Behutsamkeit im Denken gefragt. Design stellt einen Evolutionsprozess dar; heute vorhandene Zustände sind das Ergebnis jahrelanger Entwicklung. Sicher kann man ein Rad weiter verbessern – aber niemand braucht ein eckiges Rad.

Nicht anders sein um jeden Preis. Eine Änderung sollte immer auch eine Optimierung darstellen. Leider wird oft einfach etwas Neues gestaltet – ohne zu respektieren, dass die bestehenden Dinge nicht ohne Grund da sind. Häufig werden Produkte neu designt, nur um sie als innovativ zu vermarkten. Angebliche Optimierungen werden erst im Nachgang hineininterpretiert. Es ist ganz ähnlich wie bei dem bekannten Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Bei näherer Betrachtung stellt sich schnell heraus, dass der Kaiser ganz und gar nackt ist. Im Grunde ist Gestalten ganz einfach: Das Gute behalten, aber offen sein für Neues.

Designkonzept versus Lösung

Nicht jede gute Idee ist ein gutes Designkonzept. Es gibt einen klaren Unterschied zwischen Designern und Erfindern. Denn auch wenn jeder Designer in gewisser Weise ein Erfinder ist, bedeutet es im Umkehrschluss nicht, dass jeder Erfinder auch gestalten kann. Das folgende Beispiel illustriert dies recht gut: Mannheim, 1885, der Ingenieur Carl Benz entwickelt das erste Benzinauto der Welt. Am 29. Januar 1886 meldet er das erste Auto zum Patent an. Auch wenn er ein genialer Erfinder ist, der dreirädrige Wagen, das Tricycle, ist noch „nackt“, unverkleidet, nicht mehr und weniger als ein funktionierendes Grundgerüst. Erst im Nachhinein wurden dafür Designkonzepte entwickelt. Worin liegt nun also der Unterschied zwischen Designer und Erfinder? Erst wenn die Gestaltung wesentlicher Bestandteil der Lösung ist, handelt es sich um ein Designkonzept.

Dieser feine Unterschied wird leider bei renommierten Design-Awards nicht immer berücksichtigt, und so passiert es manchmal, dass innovative Leistungen von Technikern und Ingenieuren plötzlich als innovatives Design hochgejubelt und ausgezeichnet werden.

Da fragt man sich zum Beispiel, warum bei einem bekannten Designwettbewerb ein Fernseher aufgrund seiner ultraflachen Bauart ausgezeichnet wird. Die Idee, einen Fernseher so flach wie möglich zu gestalten, ist sehr naheliegend und verständlich. Es ist technologisch möglich geworden dank der jahrelangen Entwicklung und Forschung im Bereich der LCD- und LED-Technologie. Der Designer war nicht Auslöser, nicht Initiator, sondern er verpackte das neue Gerät lediglich ansprechend. Doch Produktdesign kann viel mehr, als „nur“ schön zu sein.

Wenn die Formgebung Hauptbestandteil der Lösung ist, kann etwas überraschend Neues entstehen.

USB-Clip
USB-Sticks werden immer kleiner. Nach wie vor werden sie gern mit der Post verschickt. Damit sie dabei nicht verloren gehen und für den Empfänger gleich sichtbar sind, lässt sich der USB-Clip problemlos an jeder Unterlage wie Visitenkarten, Briefpapieren, Prospekten oder Broschüren befestigen, egal, wie stark das Papier ist. Drei kräftige Lamellen sorgen für die notwendige Haftung. Die Funktion des USB-Clips als Bindeglied für „analoge“ Papiere und Schriftstücke in Kombination mit seiner Funktion als digitaler Informationsträger machen ihn zum universellen Helfer bei der Korrespondenz unserer Zeit.

Die Texte sind Auszüge aus dem Buch "360° Industrial Design" von dem Autor Arman Emami, erschienen 2014, niggli Verlag